Sonntag, 17. März 2013

Der Limburger P. i. W. a. D.*



In Rom gibt es einen Neuen. Das dürfte keinem entgangen sein. An ihn knüpfen einige gewaltige Hoffnungen, seien sie Katholiken oder nicht. Global gesehen.
Doch wie, fragt sich ein Mann, der in einer Stadt ansässig ist, die von einem Dom nicht nur überragt sondern im gleichen Maße im öffentlichen (und finanziellen) Leben von der dort behausten Glaubensinstitution auch gnadenlos dominiert wird (und dabei habe ich die peinlich scheppernde Glocke der Stadtkirche noch nicht einmal erwähnt…), wie wirkt sich die Ernennung des Kardinals aus Übersee, der sich nunmehr Franziskus nennt, auf diese unsere, kleine Welt aus?
Der Herrscher der Stadt Limburg hat einen neuen Chef.
Was bedeutet das nun für ihn? Und für den Rest der Stadt?
Man kann dem Bischof von Limburg einiges nachsagen, nicht jedoch, dass er weniger Aufmerksamkeit in der bundesweiten Öffentlichkeit erregt hätte, als sein Vorgänger. Anders als dieser erreicht er eine solche jedoch nicht durch klare Stellungnahmen, interessante Gedanken, sein Wesen und seine Taten. Was den aktuellen, lokalen Bischof immer wieder und nachdrücklich in die Schlagzeilen bringt, ist das, was ihm allem Anschein nach am allerwichtigsten ist: das Äußerliche.
Erster Klasse Flüge nach Indien, um offiziell die Ärmsten der Armen zu besuchen, die dann kurzerhand vor laufender Kamera geleugnet werden (die Flüge, nicht die Armen, die waren möglicherweise sowieso nur Alibi für einen persönlichen Trip auf der Fahndung nach einer Privat-Diözesanheiligen) erregen nicht weniger Aufsehen als der Bau seiner bescheidenen Privatresidenz (geschätzter zweistelliger Millionenbetrag Baukosten). Seinen Palast durfte er in hochgradig lockerer Handhabung aller Vorschriften, mit denen sonst Hausbesitzer in der Lage schikaniert werden, oberhalb der denkmalgeschützten Altstadt in mehrjähriger, lärm- und dreckintensiver Arbeit errichten lassen. Dort auf dem Felsen verkündet nun ein geschmacksbefreiter Bunkerbau mit einem Zaun, wie man ihn sonst nur von gefährdeten Botschaften totalitärer Staaten in Berlin kennt, seine ganz persönliche Sicht der Welt: Eine feste Burg ist unser (mein) Gott – und Ihr müsst draußen bleiben.
In Sachen Glauben und Vermittlung einer christlichen Weltsicht lässt sich sein Wirken bislang auf wenige Worte reduzieren: Es gibt zu wenig Gläubige und die beten zu wenig. Doch mit der Kirche und ihren Herrschern hat das nichts zu tun. Es sind die Menschen, die fehlen. Die anderen. Die sind in der Pflicht. Menschen, haltet euch aus allem raus, versucht nicht, diese meine Kirche als Eure zu reklamieren, Ihr seid die Laien und damit unten und dort bleibt ihr. Gebraucht werdet ihr nur, wenn es gilt, gefälligst in Scharen zu kommen, um die Kirche/den Dom zu füllen, wenn ich mein ganz persönliches Steckenpferd reite und die Liturgie zelebriere (das „R“ bitte längstmöglich rollen).
Nun hat dieser Mann also einen neuen Chef, dem nichts an Titelsammlungen für seinen privaten BMW-Fahrer liegt. Der nicht einen ganzen Dom umbauen lässt, damit er einmal im Jahr zur Priesterweihe auf lang hingestreckte Körper junger Männer schauen kann. Der neue Papst würde, wenn es darauf ankommt, eine Heilige Messe auch auf einer Orangekiste zelebrieren, die mit einer Windel bedeckt ist. Er entstammt einem Orden, der gleichermaßen für Bescheidenheit, Askese, Disziplin und persönlicher Bildung steht. Man muss etwas von der Welt wissen, wenn man sie ändern will und man muss sie wahrnehmen. Der neue Papst hat in seinem bisherigen Leben bewiesen, dass er sich interessiert. Vor allem für die Menschen und für ihre Nöte in dieser Welt.
Damit vertritt Franziskus I eine Auffassung von Kirche, die der des aktuellen Statthalters in Limburg nicht mehr entgegenstehen könnte.
Böse Zungen werden nicht müde zu behaupten, die lästige, kleine Diözese Limburg sei für deren aktuellen Kirchenfürsten nichts weiter als ein Durchlauferhitzer, um ihn für den weiteren Lebensweg so richtig heiß zu machen. Der nach der Karriereplanung des Ehrgeizigen mit konservativster (nett ausgedrückt) Protektion von höchster Stelle über das Bistum Köln nebst zugehörigem Kardinalsrang nach Rom führen sollte, zu Aufstieg und Ämterhäufung bis schließlich zur Papstwahl spätestens 2030. Für Letzteres übt er offenbar schon fleißig. „Er spricht durch mich“, soll er gesagt haben. Und es tatsächlich glauben.
Möglicherweise erlebt diese stromlinienförmige Planung gerade einen Totalschaden.
Möglicherweise erlebt die Kirche, die katholische, gerade eine Entwicklung, bei der der Bedarf an weltabgewandten, autoritären, eitlen und selbstgerechten Freunden edler Seidenkleider rapide sinkt.
Und was wird dann?
Dann steckt der Landwirtssohn für den Rest seines klerikalen Lebens hier fest, in diesem irdischen Jammertal zwischen Taunus und Westerwald. Mit diesen seltsamen Priestern, die es bisweilen wagen, Fragen zu stellen und tatsächlich Antworten zu erwarten. Antworten, die nicht aus dem Phrasenspeicher kommen, sondern etwas mit den Fragen zu tun haben. Und dann gibt es noch diese… diese… Dingsda. Wie nennt man sie noch? Gläubiger. Nein, das war es nicht. Ach ja, Gläubige. Die nicht weniger fragen. Und Forderungen stellen. Diese Laien, diese verachtungswürdigen, undankbaren Kreaturen des Herrn. Kann sich nicht mal jemand damit befassen?
Sicher. Es kann. Und es sollte. Genau das ist nämlich eigentlich die Aufgabe eines richtigen Bischofs.
Limburg ist die erstaunlichste Stadt des Universums.
Gleich nach Lutetia.
Und Rom.
Es bleibt spannend hier.
Und wir bleiben am Ball. 


* Papst im Wartestand außer Dienst

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