Freitag, 22. März 2013

Der ewige Schimanski

oder: „Scheiße, Scheiße, Scheiße, Scheiße, Scheiße…“


Es war nicht nur die Jacke. Nun gut, die spielte natürlich auch eine Rolle in meiner Spätjugend, denn die war einerseits cool, andererseits so was von nicht zu bekommen. Vom Schnitt her war es ein US Army Parka, den man aber als Friedensbewegter und Pershingaufstellungsverhinderer eher nicht tragen sollte. Doch Schimmi hatte das Ding in grau. Jahrzehnte sollten vergehen, bis ich in München den Laden sah, der damals die Originale zur Verfügung gestellt hatte. Selbst habe ich nie eine Schimanski-Jacke getragen.
Die war es also nicht, die meine spätere Karriere als Autor mit beeinflussen sollte, sondern das was darin steckte. Die Kunst- und Kultfigur, deren Erschaffung die Fernsehkrimilandschaft so nachhaltig verändern sollte.
Schimanski erschient auf dem Bildschirm – und nichts war mehr wie vorher.
Es gab nur noch eine Zeit vor Schimanski und die danach.
Bis zum Auftauchen dieser Art von Bulle war der deutsche Fernsehermittler der Mann im C&A Anzug und ohne Unterleib. Ohne Familie, ohne Privatleben, ohne Emotionen, der Faktensammler, der von Tür zu Tür marschierte und den Briefträger der Indizien und Aussagen gab – bis am Ende die politisch korrekte und sozialkundelehrerbefriedigende Aufklärung des Verbrechens stand.
Und alle konnten beruhigt schlafen gehen. Denn Täter werden überführt. Punkt. Der Kommissar löst den Fall.
Nicht bei Schimanski. Gleich sein erster Auftritt scherte sich einen Dreck um jede Konvention. Am Schluss hatte er nicht mal den Mörder gefunden, wenn ich mich richtig erinnere. Da kam der reuige Täter zu ihm und er wollte ihn schon genervt fortschicken, als der die Tat gestand. Mit dem Resultat, dass Schimi das nicht weniger genervt alles Tanner übergab, diesen ganzen Kram da.
Den Leuten gefiel er. Der Polizei natürlich nicht. Weil, so benimmt sich kein Cop. Kein deutscher jedenfalls. Der benahm sich auch nicht wie Haverkamp, aber der war wenigstens schön sauber und dienstlich korrekt. Und hatte zwar eine geschiedene Frau, aber keine Eier.
Da jedoch selbst in Deutschland nicht die Polizei bestimmt, was auf der Mattscheibe erscheint, waren von diesem Augenblick an die Autoren in der Pflicht, „lebendige“ Ermittler zu kreieren, mit mehr Schwächen als Stärken, menschlichen, mit Hinter- und Vordergrund, dramatischen Schicksalen und persönlichsten Motiven und Verwicklungen in Sachen Fall.
Und es gab die Schimanski-Emotionen. Ein angetrunkener Mann in Unterhose heult Rotz und Wasser. Kaum eine Folge kam ohne diese obligatorische Szene aus.
Großes Kino.
Nichts war mehr wie vorher, wie gesagt.
Götz George gab Schimi eine eigene Art Sprache, die nicht immer und unbedingt etwas mit dem zu tun hatte, was im Buch stand.
Wo sich der Autor mit einem einfachen, herzlichen „Scheiße“ begnügte, hörte sich das bei Schimanski nach einer klemmenden Wiederholtaste an.
„Scheiße, Scheiße, Scheiße, Scheiße, Scheiße, Scheiße…( fadeout).“
Es war beileibe nicht alles gut, was mit ihm gedreht wurde. Viele der Fälle waren am Ende des Tages dann doch sehr mutwillig konstruiert, manche banal, einige dämlich. Aber es gab auch epochale. „Schwarzes Wochenende“ gehört für mich immer noch zu den großartigsten Tatorten aller Zeiten; eine Episode, die alle Grundgesetze der Dramaturgie auf den Kopf stellte.
Auch da: großes Kino.
Dann war Schluss. Ich glaube mich zu erinnern, dass der Abschied von Schimanski eine Rekordquote hatte, aber man nagele mich bitte nicht darauf fest. Ich weiß nur noch, dass eine Sequenz darin war, in der ich herzlich lachen musste, weil sie 1:1 aus einem Fall für zwei von mir geklaut war. Aber dann war Ende mit Kommissar Schimanski.
Nominell.
Er hat seine Spuren in der teutonischen Fernsehkrimi-Landschaft hinterlassen, hatte seine Zeit und seine Bedeutung.
Aber er musste wieder ran. Nicht in der Reihe, aber da war er wieder. Oder doch nicht? Der Aufguss war… aufgegossen, fade, mehr Selbstkarikatur.
Und er verschwand wieder in der Versenkung.
Nominell endgültig.
Von wegen.
Nun soll er zum gefühlten 110. Mal wieder auferstehen, im mehr als gesetzten Rentenalter.
Warum, frage ich mich. Warum?
Kann man es nicht einfach mal gut sein lassen?
Was soll jetzt noch kommen? Muss man wirklich jedes Denkmal mutwillig beschädigen?
Das ZDF ließ einst Winnetou im Greisenalter noch einmal reiten.
Der WDR lässt nun Schimanski noch einmal ermitteln.
Irgendwie habe ich das Gefühl, sie hätten es besser beide gelassen.

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