...und fast die Hälfte der Zeit bin ich schon dabei.
Das ZDF klingt in erster Linie hohl. Ich sage nicht, es IST
hohl. Aber es klingt so. In keinem anderen Sender und keinem anderen Gebäude der Welt
ist mir dieses Geräusch bislang noch begegnet.
Die Architekten des Hochhauses auf dem
Lechenberg haben sich sicher etwas dabei gedacht, als sie den Backstein dort oben geplant
haben. Zum Beispiel: wäre es nicht toll, wenn wir absolut zukunftssicher wären?
Nicht, indem wir überall monumentale Kabelkanäle an die Wände bauen. Sondern
indem wir die Flure als solche zu Kabelkanälen erklären.
Sie haben es getan.
Wenn man im Hochhaus durch die langen
Gänge geht, bleibt es kein Geheimnis, dass jemand kommt. Denn der Boden besteht
aus aneinandergereihten, flachen, teppichbeklebten Kisten, die eben, ja, genau:
hohl klingen, bei jedem Schritt. Denn darunter laufen hunderte von Kabelkilometern entlang.
Bei meinem ersten Termin in Mainz hatte ich aber noch nicht
das Vergnügen, das Hauptgebäude zu betreten. Damals wusste ich noch nicht, dass man die Bedeutungs seines Gegenübers an drei Faktoren festmachen konnte. Die Etage. Je höher desto wichtig. Die Größe des Büros. Brauchte es mindestens zwei Türen: noch wichtiger. Und am allerwichtigsten: ein Eckbüro mit Fenstern in ZWEI Richtungen.
Die Redaktion, mit der ich zu tun
hatte, war jedoch – über den Garagen untergebracht. Um den Mann zu finden, der mir
meine erste Chance als Drehbuchautor geben sollte, musste ich mir einen ganzen
Rundgang erwandern, bis ich die richtige Zimmernummer fand. Interessant war
dabei die Aufschrift an zwei, drei anderen Türen auf dem Weg zum Ziel.
„Revision. Zu Ihrer
Sicherheit.“
Aus irgendeinem Grund assoziierte ich mit dem Begriff Bandschutz.
Mein Vater war bei der Berufsfeuerwehr und das Wort war mir bis dahin nur in
Zusammenhang mit „Feuerlöscher-Revision“ begegnet. Es dauerte ein paar Jahre,
bis ich erfuhr, um was es hinter diesen Türen wirklich ging. Doch da hatten die
betreffenden Damen und Herren ihren Namen längst amerikanisiert bekommen, hießen nun „Controlling“,
hatten sich vermehrt wie Karnickel und ein ganzes Stockwerk im Allerheiligsten
okkupiert. Glaube ich. Ich weiß es nicht. Ich hatte noch nie direkt mit
jemandem aus diesem Abteilungsgeflecht zu tun. Nur indirekt. Man sagt, die dort
Arbeitenden seien der Ansicht, ein Fernsehsender würde großartig funktionieren.
Wenn da nicht dieser Störfaktor „Veranstaltung und Ausstrahlung von Programmen“
wäre…
1989 war ich das erste Mal auf dem Lerchenberg zu Gast – und
danach noch viele Male, zu allen möglichen Tages- und auch Nachtzeiten.
Orginaldialog:
„Was machen Sie eigentlich an einem Samstag um 21:00 Uhr noch
hier?“
„Ich bin der Notarzt.“
„Oh. Was ist denn passiert?“
„Ein Drehbuch ist verunglückt. Ich bin der Script-Doctor und
musste es wiederbeleben…“
1989. Vor 24 Jahren, ziemlich genau sogar in diesem Monat. Ich habe also fast die Hälfte seiner Existenz mit dem
Zweiten Deutschen Fernsehen zu tun. Es war nicht immer leicht und es waren
einige Kämpfe auszufechten. Aber fast die Hälfte aller Drehbücher, die ich
verfasst habe, waren für das ZDF. Auch in Zeiten, in denen andere einen Haufen
Dummbatze in eine Kiste sperrten und Kameras in jede Ecke hängten und das Ganze
quotenträchtig als modernste Fernsehunterhaltung verkauften und fast parallel dazu Sendungen
allerorten aus den Ritzen wucherten wie Unkraut, in denen zum 189. Mal die
Millionenfrage zu beantworten war: „Wie hieß Karl der Große mit Vornamen?“,
blieben die Lerchenberger der Fiction treu und produzierten unverdrossen Serien
und Fernsehspiele. So blieb wenigstens noch ein bisschen Arbeit für Drehbuchautoren übrig.
Das muss man dem Sender hoch anrechnen. Die Schattenseite
dieser Ausrichtung ist, dass das ZDF durch seine Marktmacht aber auch ein
Vorreiter in Sachen Autorenausbeutung und Rechte-Grabschen war. So fanden die
Schreiber fast im Jahresrhythmus neue „Anlagen zum Autorenvertrag“ vor, in denen
sich der Sender die umfangreichsten Nutzungs- und Senderechte kurzerhand nahm. Sozusagen
ein Backdoor-Buyout, ohne sich mit der Zahlung eines Buyout-Honorars zu
belasten. Das Resultat ist, dass heute ein Drehbuchautor für seine Arbeit
weniger als die Hälfte dessen erhält, was er vor 20 Jahren bekommen hat –
obwohl die Nutzungsmöglichkeiten an seinem Werk auf der anderen Seite geradezu
explodiert sind, sei es Pay-TV, Abruf, Internet oder Kanalvervielfältigung. Aber
man produzierte wenigstens bzw. beauftragte, wie heute auch noch.
Unser Zweites Deutsches Fernsehen. Die wenigsten wissen, dass es seine Entstehung einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
verdankt. Das hatte nämlich einem gewissen Konrad A. gehörig auf die Finger
geklopft, als der als Gegenpol zu den von bösen Kommunisten unterwanderten
Sendern der ARD (also praktisch allen, die seiner Meinung widersprachen oder
gar Fragen stellten) ein als GmbH getarntes Regierungsfernsehen etablieren
wollte. Nachdem das als Staatsfernsehen und damit verfassungswidrig erklärt wurde,
folgte kurz darauf ein Staatsvertrag der Länder, der die Gründung eines
bundesweiten Kanals regelte. Auf Öffentlich Rechtlicher Basis. Aber von
Struktur und Personal nicht viel anders als das, was ursprünglich vorgesehen
war.
Nun hat es 50 Jahre gehalten, feiert sich und wird gefeiert.
Dann will ich als Gratulant nicht außen vor bleiben.
Alles Gute für die nächsten 50 Jahre, ZDF.
Und auf dass wir weiterhin wenigstens ein Stück des Weges gemeinsam gehen.
Alles Gute für die nächsten 50 Jahre, ZDF.
Und auf dass wir weiterhin wenigstens ein Stück des Weges gemeinsam gehen.
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