Mittwoch, 3. April 2013

Ein halbes Jahrhundert ZDF...



...und fast die Hälfte der Zeit bin ich schon dabei.


Das ZDF klingt in erster Linie hohl. Ich sage nicht, es IST hohl. Aber es klingt so. In keinem anderen Sender und keinem anderen Gebäude der Welt ist mir dieses Geräusch bislang noch begegnet. 
Die Architekten des Hochhauses auf dem Lechenberg haben sich sicher etwas dabei gedacht, als sie den Backstein dort oben geplant haben. Zum Beispiel: wäre es nicht toll, wenn wir absolut zukunftssicher wären? Nicht, indem wir überall monumentale Kabelkanäle an die Wände bauen. Sondern indem wir die Flure als solche zu Kabelkanälen erklären.
Sie haben es getan. 
Wenn man im Hochhaus durch die langen Gänge geht, bleibt es kein Geheimnis, dass jemand kommt. Denn der Boden besteht aus aneinandergereihten, flachen, teppichbeklebten Kisten, die eben, ja, genau: hohl klingen, bei jedem Schritt. Denn darunter laufen hunderte von Kabelkilometern entlang.

Bei meinem ersten Termin in Mainz hatte ich aber noch nicht das Vergnügen, das Hauptgebäude zu betreten. Damals wusste ich noch nicht, dass man die Bedeutungs seines Gegenübers an drei Faktoren festmachen konnte. Die Etage. Je höher desto wichtig. Die Größe des Büros. Brauchte es mindestens zwei Türen: noch wichtiger. Und am allerwichtigsten: ein Eckbüro mit Fenstern in ZWEI Richtungen.
Die Redaktion, mit der ich zu tun hatte, war jedoch – über den Garagen untergebracht. Um den Mann zu finden, der mir meine erste Chance als Drehbuchautor geben sollte, musste ich mir einen ganzen Rundgang erwandern, bis ich die richtige Zimmernummer fand. Interessant war dabei die Aufschrift an zwei, drei anderen Türen auf dem Weg zum Ziel. 
„Revision. Zu Ihrer Sicherheit.“
Aus irgendeinem Grund assoziierte ich mit dem Begriff Bandschutz. Mein Vater war bei der Berufsfeuerwehr und das Wort war mir bis dahin nur in Zusammenhang mit „Feuerlöscher-Revision“ begegnet. Es dauerte ein paar Jahre, bis ich erfuhr, um was es hinter diesen Türen wirklich ging. Doch da hatten die betreffenden Damen und Herren ihren Namen längst amerikanisiert bekommen, hießen nun „Controlling“, hatten sich vermehrt wie Karnickel und ein ganzes Stockwerk im Allerheiligsten okkupiert. Glaube ich. Ich weiß es nicht. Ich hatte noch nie direkt mit jemandem aus diesem Abteilungsgeflecht zu tun. Nur indirekt. Man sagt, die dort Arbeitenden seien der Ansicht, ein Fernsehsender würde großartig funktionieren. Wenn da nicht dieser Störfaktor „Veranstaltung und Ausstrahlung von Programmen“ wäre…

1989 war ich das erste Mal auf dem Lerchenberg zu Gast – und danach noch viele Male, zu allen möglichen Tages- und auch Nachtzeiten.
Orginaldialog:
„Was machen Sie eigentlich an einem Samstag um 21:00 Uhr noch hier?“
„Ich bin der Notarzt.“
„Oh. Was ist denn passiert?“
„Ein Drehbuch ist verunglückt. Ich bin der Script-Doctor und musste es wiederbeleben…“

1989. Vor 24 Jahren, ziemlich genau sogar in diesem Monat. Ich habe also fast die Hälfte seiner Existenz mit dem Zweiten Deutschen Fernsehen zu tun. Es war nicht immer leicht und es waren einige Kämpfe auszufechten. Aber fast die Hälfte aller Drehbücher, die ich verfasst habe, waren für das ZDF. Auch in Zeiten, in denen andere einen Haufen Dummbatze in eine Kiste sperrten und Kameras in jede Ecke hängten und das Ganze quotenträchtig als modernste Fernsehunterhaltung verkauften und fast parallel dazu Sendungen allerorten aus den Ritzen wucherten wie Unkraut, in denen zum 189. Mal die Millionenfrage zu beantworten war: „Wie hieß Karl der Große mit Vornamen?“, blieben die Lerchenberger der Fiction treu und produzierten unverdrossen Serien und Fernsehspiele. So blieb wenigstens noch ein bisschen Arbeit für Drehbuchautoren übrig.
Das muss man dem Sender hoch anrechnen. Die Schattenseite dieser Ausrichtung ist, dass das ZDF durch seine Marktmacht aber auch ein Vorreiter in Sachen Autorenausbeutung und Rechte-Grabschen war. So fanden die Schreiber fast im Jahresrhythmus neue „Anlagen zum Autorenvertrag“ vor, in denen sich der Sender die umfangreichsten Nutzungs- und Senderechte kurzerhand nahm. Sozusagen ein Backdoor-Buyout, ohne sich mit der Zahlung eines Buyout-Honorars zu belasten. Das Resultat ist, dass heute ein Drehbuchautor für seine Arbeit weniger als die Hälfte dessen erhält, was er vor 20 Jahren bekommen hat – obwohl die Nutzungsmöglichkeiten an seinem Werk auf der anderen Seite geradezu explodiert sind, sei es Pay-TV, Abruf, Internet oder Kanalvervielfältigung. Aber man produzierte wenigstens bzw. beauftragte, wie heute auch noch.

Unser Zweites Deutsches Fernsehen. Die wenigsten wissen, dass es seine Entstehung einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts verdankt. Das hatte nämlich einem gewissen Konrad A. gehörig auf die Finger geklopft, als der als Gegenpol zu den von bösen Kommunisten unterwanderten Sendern der ARD (also praktisch allen, die seiner Meinung widersprachen oder gar Fragen stellten) ein als GmbH getarntes Regierungsfernsehen etablieren wollte. Nachdem das als Staatsfernsehen und damit verfassungswidrig erklärt wurde, folgte kurz darauf ein Staatsvertrag der Länder, der die Gründung eines bundesweiten Kanals regelte. Auf Öffentlich Rechtlicher Basis. Aber von Struktur und Personal nicht viel anders als das, was ursprünglich vorgesehen war.

Nun hat es 50 Jahre gehalten, feiert sich und wird gefeiert.

Dann will ich als Gratulant nicht außen vor bleiben.
Alles Gute für die nächsten 50 Jahre, ZDF.
Und auf dass wir weiterhin wenigstens ein Stück des Weges gemeinsam gehen.

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