Donnerstag, 18. Juli 2013

Neulich in der Leserunde



Schriftsteller sind Menschen wie Du und ich. Sie können nur etwas besser zum Ausdruck bringen, dass sie doch anders sind. Logisch, nicht?
Was ich sagen will: wir haben genau so unsere kleinen Schwächen wie alle anderen. Und ein paar größere. Um nicht zu sagen sehr große.
Wir sind zum Beispiel ziemlich eitel. Und mögen es überhaupt nicht gerne, wenn wir kritisiert werden. Ganz egal, was wir behaupten. 
Dazu kommt, dass wir nicht wirklich soziale Wesen sind, ganz gleich, was wir an Theater aufführen.
Bussi hier, Bussi da, ach wie schön und ich freue mich ja so für Dich.
Alles gelogen.
Es gibt kaum eine Szene, sie so missgünstig und futterneidisch ist, wie die des kommerziellen Schrifttums.
Ich muss es wissen. Ich bin genau so.
Trotzdem sind Schriftsteller ganz gerne unter sich, denn ein professionell Schreibender ist meistens in der Lage zu verstehen, wovon ein Autor wirklich spricht bzw. was ihn gerade bedrückt oder sorgt oder freut. Außerdem macht es nur Spaß über andere herzuziehen, wenn das Gegenüber denjenigen kennt...
Mit den Zeiten des Internets kam die der Foren auf, in denen sich Gleichgesinnte zusammenfanden. Natürlich auch das schreibende Volk.
Leider auch der schreibwillige Teil der Menschheit - und der steht im Verhältnis zum schreibfähigen geschätzte 50:1.
Soll heißen auf einen Schriftsteller kommen mindestens 50 Menschen, die sich dafür halten - und alle Welt hat daran Schuld, dass sie nicht entdeckt werden.
Um solche Schreibwilligen-Foren machten Autoren mit professionellem Ansatz einen weiten Bogen.
So haben sich im Laufe der Zeit einige, wenige digitale Sammelplätze herauskristallisiert, die klare Aufnahmekriterien haben und den Hobbyschreiberlingen verschlossen bleiben.
Die stehen sabbernd davor, rufen "intolerantes, elitäres Dreckspack" und phantasieren sich den Himmel auf Erden zurecht, wie großartig es in diesen Autorenforen zugehen muss.
Tut es aber nicht, kann ich alle Schreibwilligen und -wütigen beruhigen.
Schriftsteller sind nämlich Menschen wie Du und ich.
In den einschlägigen Autorenforen wird genau so geheuchelt, nur in den meisten Fällen in feingeschliffener Prosa.
Intrigiert wird sowieso, was das Zeug hält, gerufmordet, gehetzt, geneidet.
Und wenn man überhaupt kein Thema mehr hat, erzählt man sich die neuesten Eskapaden der heimischen Katzen. Das geht immer.
Da sich diese Foren aber professionell geben, existieren zwischen allerlei Workshops, die nicht wirklich immer von den kompetentesten Leuten geleitet und abgeschottet werden auch sogenannte Leserunden.
Dabei stellt ein Autor ein verlegtes, neues Werk vor, das dann gemeinsam gelesen und diskutiert wird.
Was man so Diskussion nennt.
Es gibt Autoren, die wollen tatsächlich auch Kritik hören, sind interessiert und gehen darauf ein.
Andere hingegen betrachten eine Leserunde als ihre ganz private Lobeinsackstelle.
Und in einer solchen bin ich unlängst in ein Fettnäpfchen getreten, dass es nur so gespritzt hat.
Zur gefälligen Lektüre gebe ich eine etwas verfremdete Version der Debatte hier wieder.
Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen und Verhaltensweisen sind jedoch nicht zufällig sondern zwangsläufig.

Wir befinden uns in einer Leserunde. Die üblichen Verdächtigen haben mit ihren obligatorischen achwieschön, wiegroßartig, daskönntichnie-Postings bereits ihre Duftmarken hinterlassen, der gebauchpinselte Verfasser (in der Folge DGLA [=der größte lebende Autor])  hat hinreichend Bescheidenheit simuliert und die rhetorische Frage gestellt, ob es denn WIRKLICH überhaupt nichts zu bemäkeln gäbe.
Auftritt Leserundenteilnehmer MH.
MH: Ich frage mich, wie Elefant Kuno in der Szene rund um die Diskussion zwischen dem Affen Popo und der Schlange Elvira auf das Empire-State-Building kommt.
DGLA: Was für eine Frage. Der ist natürlich dort hinauf geflogen.
MH: Ähm… Okayyyyy. Der kann fliegen? Habe ich da irgendwo etwas überlesen?
DGLA: Natürlich kann der fliegen.
MH: Ich habe jetzt noch mal nachgeschaut. Es ist nirgends erwähnt, dass er fliegen kann.
DGLA: Kann er aber. Seine Mutter ist die Elefantin Rüsseline und sein Vater der Albatros Frightendofair. Kuno hat große Flügel und wurde als Kind deswegen immer gehänselt, weshalb er sich unter seinesgleichen nie wohlgefühlt hat und seine besten Freunde Nager sind.
MH: Aha. Schade, dass man davon nichts erfährt. Interessante Hintergrundgeschichte. Okay. Er ist also hochgeflogen. Mir hätte es geholfen, wenn das jemand erwähnt hätte. Da haben wir also den fliegenden Elefanten Kuno.
DGLA: Ja, sag ich doch.
MH: Okay. Da ist dann aber später die Szene, in der Pipi, die Maus, in die Kuno heimlich verliebt ist, von Muscho, dem einäugigen Kater entführt wird und auf der Baustelle des neuen Worldtradecenters gefangen gehalten wird. Die Diskussion um die wechselnden Rollen zwischen Nahrung und Ernährtem und dass der Jäger die Beute immer liebt zwischen Pipi und Muscho finde ich großartig. Hm, ich weiß jetzt nicht, ob ich mich zu den Schwierigkeiten, die ich im Anschluss habe, überhaupt äußern soll.
DGLA: Das Gespräch zwischen Maus und Katze ist mir sehr gelungen, das finde ich auch. Schön, dass es dir gefällt und dich berührt. Magst du mir von deinen Schwierigkeiten danach erzählen? Das würde mich sehr interessieren.
MH: Bist Du Dir sicher?
DGLA: Ja. Ich bin ganz gespannt darauf.
MH: Kuno erfährt  auf dem World-Tradecenter wo Pipi ist und will sie retten.
DGLA: Ja, genau. Obwohl sie mit Otto, der Hamsterratte zusammen ist, macht er sich immer noch Hoffnung darauf, ihre Liebe zu entfachen. Er ist meine tragische Figur, weil Pipi ja eigentlich in ihren Halbbruder Benji-Maus verliebt ist, der der beste Freund von Kuno ist.
MH: Ah, interessant, das wusste ich nicht. Davon ist bisher nichts erwähnt.
DGLA: Das spielt später im dritten Band noch eine große Rolle, weil Benji-Maus Kuno vorwirft, dass er für den Tod seiner Halbschwester verantwortlich ist und sich mit Otto gegen ihn verbündet und zu seinem ärgsten Feind wird.
MH: Ähm, okay. Hört sich spannend an, aber ich hatte in DIESEM Buch jetzt ein Problem.
DGLA: Welches denn, lieber MH?
MH: Kuno will also Pipi retten. Aber der Aufzug des Empire State ist kaputt. Er muss die Treppe nehmen.
DGLA: Ja, genau.
MH: Meines Wissens hat das ESB vier Aufzüge.
DGLA: Die sind auch kaputt. Oder werden gewartet. Spielt doch keine Rolle.
MH: Äh… Okay. Dann läuft Kuno in die U-Bahn. Aber die hat einen Achsenbruch, mitten im Tunnel und sie stecken fest. Und bis er einen Weg durch die Rettungsschächte gefunden hat, ist es zu spät. Als er am WTC ankommt, hat Muscho Pipi schon gefressen.
DGLA: Ja.
MH: Ich frage mich, warum ist er nicht dorthin geflogen?
DGLA: Warum sollte er?
MH: Ähm. Weil er Flügel hat?
DGLA: Und was hat das damit zu tun?
MH: Verstehe ich jetzt nicht. Kuno kann zum Reden auf das ESB fliegen…
DGLA: Das habe ich doch schon gesagt. Muss ich alles zehnmal sagen?
MH: Aber in dem Moment, in dem es um alles geht, da marschiert der Elefant zu Fuß?
DGLA: Ich habe mich halt so entschieden. Es ist spannender, wenn er zu spät kommt.
MH: Aber es braucht doch einen Grund, warum er hier nicht fliegt. Wenn er es doch kann.
DGLA: Ich habe mich anders entschieden. Kapier’s endlich. Natürlich gibt’s einen Grund, warum er da nicht fliegt. Da kam auf einmal ein schwerer Sturm auf, mit Hagel. Und einem Tornado. Alle Flugzeuge mussten New York umfliegen. Und Elefanten bekamen keine Starterlaubnis.
MH: Ähm, okay. Das hätte man aber vielleicht wenigstens mal erwähnen sollen.
DGLA: Das ist ein Fantasy-Roman. Du willst meinen Roman so umschreiben, dass er ein Bericht über Flugsicherungstechnik und Meteorologie wird!
MH: Das habe ich doch nirgends gesagt.
DGLA: Doch, hast du! Immer wieder. Kapier endlich, dass es für die Handlung absolut nicht relevant ist, dass die Flugzeuge, die New York anfliegen wollen, alle nach Boston umgeleitet werden. Soll ich vielleicht auch noch die Flugnummern alle aufzählen?
MH: Äh… Wenn es die Handlung voran bringt, warum nicht?
DGLA: Es geht in diesem Roman nicht um Luftverkehrssicherheit. Wie oft soll ich das noch sagen?
MH: Natürlich geht es nicht darum.
DGLA: Aber du willst, dass ich darüber schreibe, warum keine Flugzeuge am Himmel sind.
MH: Ich habe doch von Flugzeugen überhaupt nichts gesagt. Es geht mir darum, dass ein Elefant in einer Szene fliegen kann, ohne dass das mit einem Wort erwähnt wird und in einer anderen, in der es um Leben und Tod geht, nicht einmal die Möglichkeit, das zu tun, in Betracht zieht! Und das ist für mich unlogisch und inkonsistent.
DGLA: Tja, das ist nur deine MEINUNG. Und auf die lege ich keinen Wert. Was soll ich mit jemandem diskutieren, vielleicht von Flugzeugen was versteht. Aber  nicht von Literatur.

Nachdem ich diese kleine Satire in dem betreffenden Forum veröffentlichte, hatte sie nur eine Halbwertszeit von einer Viertelstunde.
Dann wurde sie auf Betreiben der heimlichen Herrscherin und Strippenzieherin im Hintergrund zensiert. 
Wie ich schon sagte: Menschen wie Du und ich...
 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen