Beruflich befasse ich mich ja damit, mir schlimme Taten böser Menschen
auszudenken. Privat liebe und sammele ich alte Bücher. Auf der Suche nach
historischen Druckwerken stolperte ich nun nun unversehens in einen realen
Kriminalfall, der Polizei und Landeskriminalamt zweier Bundesländer mehrere
Tage lang in Atem hielt.
Bei der Suche nach alten Büchern im Internet war ich auf eine Bibel
gestoßen, die mich interessierte. Normalerweise fasse ich nichts an, was jünger
ist als 1800. Diese Bibel war aus dem Ende des 19. Jahrhunderts und damit für
mich eigentlich deutlich zu jung. Doch sie war von Königin Viktoria Auguste mit
einer handschriftlichen Widmung zur Weihung einer Kirche versehen. Das weckte mein
Interesse, genauso wie das mehr als selbstbewusste Preislabel des Anbieters.
Der hatte in der Annonce vermerkt, dass er das Stift, dem das Buch gewidmet
war, in Berlin vermutete, aber nicht gefunden hätte. Merkwürdigerweise fand
corpus delicti |
ich
bei meinen Recherchen schnell heraus, dass das betreffende Evangelische
Johannesstift noch existierte. Ganz offensichtlich war die Bibel von der
Königin-Kaiserin zur Weihung der Kirche geschenkt worden. Das machte mich nun
etwas misstrauisch. Denn eine von einer Königin gewidmete Bibel wirft man
sicher nicht weg, verkauft oder verschenkt sie gar. Meine Vermutung war nun,
dass die wertvolle Bibel entweder in den Kriegsjahren evakuiert und nicht
wiedergefunden wurde oder nach dem Krieg als Beute mitgenommen und irgendwo
vergessen wurde (das Angebot kam aus Brandenburg). Um der Sache auf den Grund
zu gehen, setzte ich mich mit dem Stift in Verbindung.
Meine kriminalistische Spürnase hatte mich nicht getrogen! Die Bibel
war tatsächlich gestohlen. Aber nicht schon vor 70 Jahren! In Berlin war die
Aufregung groß, als man dort erfuhr, dass die 2004 bei einem Einbruch entwendete
Bibel wieder aufgetaucht war! Ich gab alle Daten, die ich von Angebot und
Anbieter hatte, weiter. Seitens des Johannesstifts holte man sich polizeilichen
Rat. Doch als man sich mit dem Verkäufer in Verbindung setzte, war dieser
bereits misstrauisch geworden. Dazu kam, dass er über die
Herkunft der Bibel nur sehr vage und fantasievolle Angaben machen konnte.
Angeblich hatte der Hobbyantiquitätenhändler sie erst eine Woche vorher in
Berlin gekauft. Er hatte außerdem den Angebotspreis um 2/3
heruntergesetzt, offenbar, um die Bibel möglichst schnell zu verkaufen. Als ihm
klar wurde, dass man ihm auf der Spur war, bestand sogar plötzlich die Gefahr,
dass er sich des für die Geschichte der Stiftung kostbaren Stückes entledigen
würde, um nicht als Hehler verfolgt zu werden.
Erst eine schnelle Intervention des Landeskriminalamtes, bei dem dem
Anbieter eine goldene Brücke gebaut wurde, bewirkte, dass eine Rückgabe der
Bibel vereinbart werden konnte. Tatsächlich konnte der Pressesprecher des
Stifts dann das lange vermisste Stück bei einem konspirativen Treffen in Berlin in Empfang nehmen.
Die Bibel soll
baldmöglichst wieder ihren alten Platz im Museum des Evangelischen
Johannesstifts einnehmen. Den Entdecker des Buches hat das dankbare Stift zu
einem Besuch nach Berlin eingeladen, ein Angebot, das ich bei nächster
Gelegenheit gerne annehmen werde.
„Einmal Polizist – immer Polizist“, könnte man meinen. Der Bauch, auf den ich viel öfter hören sollte,
jedenfalls hatte mir mit einem Grummeln sofort verraten, dass da etwas nicht
stimmte. So habe ich also einen echten Kriminalfall gelöst. Es ist ja nicht das
erste Mal. Vor 20 Jahren machte ich schon einmal Schlagzeilen, als ich einen
Serieneinbrecher fing. Aber das ist eine andere Geschichte…